Küstensteine – Fremde Menschen zum Lächeln bringen


Wir schreiben das Jahr 2016. Ganz Deutschland ist vom Alltag besetzt. Ganz Deutschland? Nein! In einem kleinen Landkreis namens Dithmarschen an der Nordsee kommt ein Mann auf eine Idee, die das ganze Land zum Lächeln bringen wird: Die Küstensteine.

Als dieser Beitrag begann, war die Euphorie groß. Die Idee, die hinter den Küstensteinen steckte, zog mich von Anfang an in den Bann. Dass das Thema im Laufe der Recherche aber so ans Herz gehen würde, konnte ich nicht erwarten.

Wie alles begann

Den Anfang nahm ein bemalter Stein, den jemand aus Amerika mitbrachte. Von einer einfachen Idee begeistert, begannen zwei Männer die Drogerien in der Umgebung nach Nagellack abzusuchen, mit dem sie Steine bemalen konnten. Was als Zeitvertreib begann, sollte Kreise ziehen, die bis heute auf der ganzen Welt täglich immer mehr Anhänger findet.

Die Idee

Nachdem seine „Marienkäfer-Armee“, wie der Gründer sie liebevoll nennt, schlichtweg Überhand nahm, begann er sie bei Spaziergängen einfach auszulegen. Er hoffte damit einfach jemandem eine Freude machen zu können.

Freundinnen kamen dann auf die Idee, er könne doch eine Facebook-Gruppe eröffnen. Vielleicht postet ja jemand einen gefundenen Stein. Doch welchen Namen sollte die Gruppe haben? Es sollte etwas sein, das zu der Idee passt. Und da jeder gerne an der Küste ist und Dithmarschen bekannterweise an der Küste liegt, wurde der Name „Küstensteine“ geboren.

Mit dem Hintergedanken und der Hoffnung, dass vielleicht 100 Menschen die Idee mögen könnten, wurde die Gruppe am 14.03.2019 ins Leben gerufen. Ziel war es, die bemalten Steine mit der nötigen Information zu markieren ( #Küstensteine. Bitte posten, behalten oder weiter verschenken), umso auch den Malern eine Freude zu bereiten. Sie konnten sehen, dass ein Küstenstein tatsächlich gefunden wurde und wem sie eine Freude gemacht hatten. Welche Ausmaße es nehmen würde, konnte zu dem Zeitpunkt niemand ahnen.

Eine Küstenstein-Welle überrollt das Land

Ungefähr zu dem gleichen Zeitpunkt, als die Gruppe ins Leben gerufen wurde, wurde auch ich, aus welchem Grund auch immer, auf sie aufmerksam. Ich hatte eine eingreifende OP hinter mir, war Mitten in einem Umzug und hatte den Kopf voller Dinge, die erledigt werden mussten. Als eine Person, die ihre Mitmenschen gerne lächeln sieht, empfand ich die Idee der Küstensteine und deren Kunstwerke als Großartig. Hier konnte jeder mitmachen. Kinder, Senioren, Ehepaare, Verrückte und der normale Durchschnitt. Alle hatten auf einmal das gemeinsame Ziel fremde Menschen zum Lächeln zu bringen. In ihrem täglichen Alltag und den Gefühlen, die damit einher kommen, konnte man jemand völlig Unbekanntem einen Lichtstrahl und ein besonderes Lebensgefühl senden.

Küstensteine kommen von Herzen.

Wie sich herausstellte, war ich nicht die einzige, die so dachte.

Wir schreiben den 09.06.2019

Etwa drei Monate nach der Entstehung feierte die Gruppe in Heide ihr 10.000tes Mitglied. Jede Altersklasse, jedes Geschlecht und jede Länderzugehörigkeit sind vertreten. Ein kleiner Stein vereint auf einmal die Menschen, wie es keine Politik und keine Religion je könnte. Großeltern malen mit ihren Enkeln, Ehepaare sitzen gemeinsam im Wohnzimmer und frönen dem gemeinsamen Hobby: der Verschönerung der Steine.

Eltern, Erzieher, Arbeitslose, Kranke, alle haben eins gemeinsam: Die Welt ein wenig bunter zu machen. In der Hilflosigkeit der heutigen Zeit bedeutet dieses kleine Hobby für die Menschen etwas, was sie erreichen können, bei dem sie aktiv helfen können, das Leben anderer Menschen zu verbessern.

Auch der Gründer der Gruppe musste bei der Veranstaltung ein paar Worte sagen. Es ist ihm unangenehm. Vor so vielen Menschen zu sprechen, entspricht nicht seiner Persönlichkeit und doch tat er es. Auf meine Frage, was er dabei empfunden hat, antwortete er:

„Da haben mich an dem Tag viele direkt angesprochen und mir gedankt, weil sie die Idee so toll finden und gerne malen, jetzt ein Hobby haben oder gar eine Therapie, um den Kopf freizubekommen. Ja, das machte mich auch froh und auch stolz – obwohl ich ja nichts Neues erfunden hatte.“

Mitte April 2020 zählt die Gruppe „Küstensteine“ über 30.000 Mitglieder. Doch nicht nur das. Dutzende von Randgruppen, wie „Hamburgstones“ oder „Steinespaß“ haben sich inzwischen in ganz Deutschland und auch in weiteren Ländern etabliert. Die bemalten Steine wandern durch die ganze Welt und haben immer das gleiche Ziel:

Wichtig

Finden, lächeln, posten, behalten oder weiter verschenken.

Die Techniken der Küstensteine

Was mit einfachem Nagellack begann, wurde inzwischen von vielen Bemalern nach den eigenen Wünschen und Vorlieben perfektioniert. Kunterbunt ziehen die kleinen Kunstwerke durch die Welt. Selbst Pinterest hat inzwischen eine wahre Gefolgschaft, die Tipps und Tricks zum Steine bemalen anbietet. Ob Acrylstifte, Eddings, Buntstifte, Wachsmalstifte, Serviettentechnik, Droptechnik oder Farben, die im Dunkeln leuchten, der Phantasie sind keine Grenzen gesetzt.

Und dabei geht es nicht um die Kunstfertigkeit. Nicht jeder ist mit einer Hand für Stifte und Pinsel geboren. Es geht dabei nur um den Gedanken, der dahintersteckt. Das Bild muss keinem Ölgemälde gleichen (obwohl manche da wirklich tun). Es geht um die Leidenschaft, die alle verbindet, die die Steine bemalen und die Finder, die sich darüber freuen. Dabei spielt es keine Rolle, ob es ein Bild, ein Satz oder ein einzelnes Wort ist. Jeder Stein, der ausgelegt und gefunden wurde, hat den Tag eines Menschen verschönert.

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Zum Abschluss der Geschichte der Küstensteine

Bei meiner Recherche bin ich über viele Dinge gestolpert, die mir vorher gar nicht bekannt waren. Und dass, obwohl ich doch quasi ein Kind der ersten Stunde war.

Unter anderem verwies mich der Gründer der Facebook-Gruppe auf seine Internetseite.

Diese war von den Administratoren ins Leben gerufen worden, um den Bekanntheitsgrad auch außerhalb von Facebook zu vergrößern. Das verwunderte mich. Warum sollte jemand eine Internetseite erstellen, die Mühe, Zeit und Geld kostet, ohne etwas daran zu verdienen?

Ich stellte ihm die Frage und der Grund war ebenso logisch und einfach, wie die Idee der Küstensteine war:

„Der Spaß am Malen und Freude schenken.“

Anmerkung:

Die für diesen Beitrag genutzten Bilder wurden uns von den Künstlern der Facebook-Gruppe zur Verfügung gestellt. Wir sagen Danke!

Bildquellen

  • Küstensteine_tuolu_magazin: Sylva Fischer
  • Küstensteine_tuolu_magazin: https://pixabay.com/de/photos/herz-stein-kieselstein-bemalt-5025684/